Freitag, 13. April 2012

FUKUSHIMA-OPFER: DIE PARIAS JAPANS?

Einar Schlereth

Der gestrige Artikel über 'Die größte kurzfristige Bedrohung der Welt ...' hat sehr viele Leser gefunden. Ein Mangel war, dass die Plutonium-Frage nicht behandelt wurde, wie in Kommentaren angemerkt wurde. Ich habe auf das Buch von Michel Chossudovsky verwiesen, wo das natürlich aufgegriffen wird, z. B. gleich zu Anfang:
The realities, however, are otherwise. Fukushima 3 was leaking unconfirmed amounts of plutonium. According to Dr. Helen Caldicott, "one millionth of a gram of plutonium, if inhaled can cause cancer". (Die Wirklichkeit ist jedoch eine andere. Fukushima 3 hat unbekannte Mengen an Plutonium abgegeben. Dazu Dr. Helen Caldicott: "... ein Millionstel eines Gramms Plutonium kann Krebs erzeugen, wenn es eingeatmet wird".)

Aber heute möchte ich auf eine weitere EMINENT WICHTIGE FRAGE zu sprechen kommen, die selbst in den alternativen Artikeln kaum Beachtung findet. Michel Chossudovsky reisst sie teilweise schon in der Einleitung zu seinem Buch an:


What prevails is a well organized camouflage. The public health disaster in Japan, the contamination of water, agricultural land and the food chain, not to mention the broader economic and social implications, have neither been fully acknowledged nor addressed in a comprehensive and meaningful fashion by the Japanese authorities. 
 Japan as a nation state has been destroyed. Its landmass and territorial waters are contaminated. Part of the country is uninhabitable. High levels of radiation have been recorded in the Tokyo metropolitan area, which has a population of  39 million (2010) (more than the population of Canada, circa 34 million (2010)) (Vorherrschend ist eine organisierte Kamouflage. Die Gesundheit der Öffentlichkeit in Japan, die Verseuchung des Wassers, der Äcker und der Nahrungskette, nicht zu reden von den größeren ökonomischen und sozialen Implikationen sind von den japanischen Behörden nie voll zugegeben oder angegangen worden in einer sinnvollen und zusammenhängenden Weise. Japan ist als Nationalstaat zerstört. Seine Landmasse und Territorialgewässer sind verseucht. Ein Teil des Landes ist unbewohnbar. Hohe Dosen an Strahlung sind im Gebiet der Hauptstadt Tokyo gemessen worden, die 2010 ca. 39 Millionen Einwohner hatte (mehr als die Bevölkerung von Kanada mit 34 Mill.).

Wir können uns ganz einfach keinen Begriff von allen Implikationen machen.
Japan ist als Industriemacht am Ende. Es kann keine Maschine, kein Auto, keine Baustoffe mehr exportieren. Die Exporte werden an den Grenzen andrer Länder gestoppt und zurückgeschickt, weil sie verstrahlt sind. Die Produkte von Landwirtschaft und Fischerei - wer will die noch kaufen? Der eigenen Bevölkerung wird gesagt, selbst die Lebensmittel aus dem größeren Umkreis von Fukushima seien sicher. Es werden einfach die Werte, die als 'sicher' gelten, ständig nach oben verschoben. Außerdem gibt es keine sicheren Werte. Selbst der kleinste Wert, wenn er Stunde um Stunde, Tag auf Tag, Woche um Woche, Jahr um Jahr auf einen Körper einwirkt, ist äußerst gefährlich. Und die Werte, die der Körper in den wichtigsten Organen speicher, die strahlen weiter, auch wenn man der äußeren Strahlungseinwirkung entkommt.
Obendrein hat die Regierung den Sicherheitskreis um Fukushima mit 20 km viel zu klein angesetzt. In Tschernobyl war er doppelt so groß. Die Ursache ist völlige klar. Nur die evakuierten Menschen aus dieser 20-km-Zone haben ein Anricht auf Entschädigung. Die Menschen im weiteren Umkreis sagen: "Uns lässt man hier sterben."

Und jetzt komme ich zu dem GROSSEN Problem. Da könnte ja einer sagen, warum sie denn nicht abhauen. Tja wohin denn, bitte schön? Wenn, dann hätten sie es sofort machen müssen wie die Chefärzte der Krankenhäuser und alle, die Geld hatten. Das diese Menschen aber nicht hatten. Und jetzt erst recht nicht nach mehr als einem Jahr, wo ihre Ersparnisse - wenn sie denn welche hatten - längst aufgebraucht sind. Wohin sollen sie mit ihren Familien ohne einen Pfennig in der Tasche? Selbst, wenn sie auf die Idee kämen, sich zu Fuß auf den Weg zu machen - sie würden zurückgejagt werden. In Tokyo wurden bereits Leute aus Fukushima angepöbelt und beschimpft: Geht dorthin, wo ihr hergekommen seid! Niemand will verstrahlte Menschen um sich haben. Und sie sind verstrahlt. Ihre Kleider, ihre Schuhe, selbst in den Schnürsenkeln der Kinderschuhe fand man extrem hohe Werte.

Die geplante Maßnahme der ehemaligen Bundesregierung, etwa für Hamburg, falls das AKW Stade in die Luft ginge, einen Cordon sanitaire, wie es in der Fachsprache heisst, einen Sicherheitsgürtel durch die Bundeswehr zu schlagen, erweist sich als überflüssig. Darüber hat mein Freund Holger Strohm in seinem Wälzer von 1981 "Friedlich in die Katastrophe" geschrieben.
"Aus diesem Grunde ist auch klar, dass noch lebende, hochverseuchte Menschen ein kontaminiertes Gebiet nicht verlassen dürfen. Die Strahlung ist für alle noch nicht so hoch verseuchten Menschen eine Gefahr, die sie heimtückisch zusätzlich belasten würde. (....) In der Realität bedeutet dies aber, dass entweder Polizei, Bundesgrenzschutz oder Bundeswehr rücksichtlos von der Schutzwaffe Gebrauch machen werden gegen Menschen in Todesgefahr, die sich kaum ohne Widerstand ihrem Schicksal ergeben. (...) So [in den Plänen] wird von Sperrung stark kontaminierter Flächen, von Absperrung und "Unter-stützungsmöglichkeiten der Bundeswehr und der Stationierungsstreit-kräfte" gesprochen. (S. 590-591)
Dieses Buch wurde 1981 dankenswerterweise von 2001 veröffentlicht und an jedes Mitglied des Bundesregierung UND des Bundestages, an den Bundes-präsidenten, an die höchsten Würdenträger der Kirchen, an die Bundesämter, die Ministerpräsidenten der Länder, die Bürgermeister der Großstädte, die Abgeordneten des EG-Parlamentes, die Gewerkschaftsbosse, Vertreter von Verbänden und Organisationen, der Wissenschaft und Kultur, an den Staatsrat-vorsitzenden der DDR Erich Honecker und jeden Bundes- und Nationalrat der Schweiz KOSTENLOS verteilt. Ich frage mich, wieviele es wohl gelesen haben. 5 %? 1292 Seiten? Ich bezweifle es. Dies nur nebenbei.

Abgesehen davon, dass jede Evakuierung von großen Menschenmassen sich als nicht machbar erwiesen hat, so haben sich die oben geplanten Maßnahmen als überflüssig erwiesen. Viel besser ist es, die Menschen durch den massiven Einsatz der Massenmedien - die seither ja unendlich verfeinert worden sind -
zu beschwichtigen und im Unklaren zu lassen, alles Bedrohliche zu verbergen, zu verschweigen, zu verdrehen oder einfach das Blaue vom Himmel zu lügen. Und so wenig wie möglich in gemütlichem Tempo zu evakuieren. Und welchen Schutz hatten die Menschen 20 km von Fukushima entfernt in den Not-Zelten? Nullkommanull.

Tja, und jetzt ist es zu spät. Die Leute können nicht weg, weil sie erstens kein Geld haben und zweitens von den Mitmenschen anderer Gebiete auf keinen Fall aufgenommen werden würden.

Obwohl alle Menschen Japans den Bau der AKWs zugelassen und damit zu verantworten haben, weist natürlich jeder in der Stunde der Not und Gefahr jede Verantwortung weit von sich. Jeder ist sich selbst dann der Nächste.
Natürlich könnte die Regierung die Menschen unter Begleitschutz evakuieren. Aber wohin? Wenn es kaum noch Gebiete gibt, die nicht mehr oder weniger verseucht sind? Und die, die es nicht sind, sicher schon von anderen besetzt sind. Also woanders ein Gebiet mit Gewalt freiräumen und die Menschen in eine Art Ghetto sperren? Man kann sich das hin- und herüberlegen, am Ende kommt heraus, dass Tausende und aber Tausende dem sicheren frühen Tod ausgeliefert werden. Keinem schnellen Tod, nein, einem schleichenden und langsamen und schmerzhaften Tod.

Genau dies zeigt sich jetzt in Japan, dass die am stärksten verseuchten Leute in der Region von Fukushima und Daini - wovon überhaupt erst einmal gar nicht gesprochen wurde - diesem Tod überantwortet und als Parias angesehen werden.

Genau davor haben wir in den 70-er und 80-er Jahren zu Hunderttausenden gewarnt und demonstriert und bekamen Polizeiknüppel auf den Kopp. Aber wir waren viel zu wenige, weil die allermeisten immer, wenn eine Demonstration angesagt war, ganz wichtige andere Dinge erledigen mussten. Entweder war die Schwiegermutter zu Besuch oder sie mussten einen Kühlschrank kaufen oder die Wohnung tapezieren. Wären wir millionenfach vor die Rathäuser und die Regierungsämter gezogen, hätten diese Teufel rausgezerrt und ihnen eine gute Tracht Prügel versetzt, dann hätten wir sehen können, wie schnell sie den Knopf zum Abschalten gefunden hätten.

Und heute ist es ja nicht anders. Die Regierungen von Tokyo bis Washington, von Delhi bis Warschau lügen weiter, verschweigen, verdrehen die Wahrheit, beschwichtigen, drohen oder versprechen und schwören, dass alles nicht so schlimm ist und sie alles bald im Griff haben werden. Unterstützt werden sie von dem Mediengesindel, von "Wissenschaftlern und Experten", die geschmiert werden und hündisch die Schmiergelder in Empfang nehmen. Von der Atom- und Waffen-Lobby ganz zu schweigen. All diese Verbrecher sitzen an den Schaltstellen von Industrie, Regierung, Banken und Medien. Und da ist es nur ein kleiner Trost, dass auch sie der Strahlung nicht ausweichen können.

Am Ende möchte ich nochmals eindringlich empfehlen, das Buch von Michel Chossudovsky aufmerksam zu lesen. Wer nicht so gut englisch kann, nimmt ein Lexikon zu Hilfe und liest langsam, um so besser bleibt es haften.
Und natürlich auch das Buch von Holger Strohm, das alle Fragen detailliert behandelt und ein Schatz an Argumenten ist, um sie den besessenen Vertretern
für die "sichere" Atomenergie um die Ohren zu hauen.

3 Kommentare:

  1. Hatte nicht kurz nach der Katastrophe Medvedjew den betroffenen Japanern angeboten, ein Gebiet in Sibirien als neues Siedlungsgebiet zur Verfügung zu stellen? Wäre für viele sicherlich der beste Weg gewesen.

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  2. Blankes Grauen

    Tatsächlich ist es viel, viel schlimmer - so schlimm, dass es sich nicht in Worte fassen lässt. In meinem Beitrag 'Totgeweihtes Japan' stelle ich die Hypothese auf, dass die japanische Nation, wie wir sie kennen, in hundert Jahren aufgehört haben wird zu existieren.

    Der Grund lautet 'Krebs'. Der radioaktive Tod kennt nur ein Ziel, die Nahrungskette, in die er sich tiefer und tiefer hinein arbeitet. Da die japanische Regierung per Gesetz angeordnet hat, das sämtliche Präfekturen all den hochkontaminierten Tsunamimüll zu entsorgen, also zu verbrennen haben, wird sich die Radioaktivität durch die Schornsteine hindurch auch über ganz Südjapan verteilen. Auch in Südjapan gibt es eine Nahrungskette.

    Fazit. Diese armen Menschen können es sich aussuchen, wie sie sterben wollen. Schnell und elendiglich, weil sie auf Nahrung und Wasser verzichten, oder langsam und elendiglich, weil sie verseuchtes Wasser trinken und verseuchte Nahrung essen.

    Viele Millionen Japaner werden in den nächsten 10 bis 15 Jahren an Krebs erkranken. Einer solchen Lawine schwerstkranker Patienten ist kein Gesundheitssystem dieser Welt gewachsen. Die Folge: Die Menschen werden ohne jegliche Hilfe einsam und im Stich gelassen verrecken müssen. Jene, die es tatsächlich überleben, werden eine hohe Anzahl missgebildeter und/oder behinderter Nachkommen in die Welt setzen. Falludscha war schon ein Fanal der Grausamkeit, aber was auf Japan zukommt, werden wir uns in unseren allerschlimmsten Alpträumen nicht ausmalen können. In Falludscha, das mit leicht angereichertem Uran zugrunde gerichtet wurde, gibt es in jedem zweiten Haushalt mindestens ein Kind mit vorgeburtlicher Schädigung, wie Dr. Christopher Busby nachweisen konnte. Die meisten Kinder dort kommen tot zur Welt. In Japan ist die Verseuchung weiter Landstriche um ein vielfaches höher.

    All das zusammengenommen steht zu befürchten, dass dieses wunderbare Volk in den nächsten Dekaden seinem endgültigen Ende entgegenstrebt. Diese schöne Insel wird entvölkert sein für viele Generationen und wenn irgendwann einmal tatsächlich Menschen ihren Fuß darauf setzen sollten, werden sie feststellen müssen, dass sie einen gigantischen Friedhof betreten haben.

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  3. Völliges Chaos in Japan. Jetzt ist auch noch eine 35 Tonnen schwere Maschine in den Poll der abgebrannten Stäbe von Reaktor 3 gefallen:
    http://www.japantimes.co.jp/text/nn20120415a4.html

    Unser gesamte nördliche Hemisphäre ist von nuklearer Vergiftung bedroht! Wieso ergreifen nicht z. B. die europäischen Länder in einer konzertierten Aktion endlich die Initiative?! Japan muß massiv unter Druck gesetzt werden!
    Auch gehören diese japanischen Figuren von Tepco und der jap. Regierung bestraft, die im letzten Jahr russische, ukrainische, deutsche und US-amerikanische Hilfe einfach frech(!) - ablehnten.

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